Stellen Sie sich vor, sie gehen am Montag als Bayer ins Bett und wachen am Dienstag als Böhme auf. Oder als Österreicher, Norweger oder Chinese. Und im nächsten Jahr wieder, und wieder, und wieder: Geld wechseln, Fahnen tauschen, Kalender ändern und die Gesinnung auf den jeweiligen Herren einstellen. Unvorstellbar? An die 250 Jahre lang war das in der sogenannten Frais, dem Gebiet um Neualbenreuth herum Usus. Der Ausdruck Frais (auch Fraisch oder Fraiß) kommt vom Althochdeutschen vreislich (schmerzhaft, Schrecken bringend). Im Heiligen Römischen Reich war eine Frais ein Gebiet, in welchem dem Eigentümer einer Grundherrschaft, dem Frais- oder Fraischherren die Gerichtshoheit über seine erbuntertänigen Bauern zustand und ihm die Frais, der Zehnt des Erwirtschafteten, geliefert werden musste. Im Gebiet um Neualbenreuth jedoch gab es eine einmalige Besonderheit: Von 1591 an wurde jährlich am 29.07. die Zugehörigkeit gewechselt: Von der Stadt Eger (Böhmen, Habsburger Reich) zum Stift Waldsassen (Bayern) und zurück. Verkündet wurde die jeweilige Zugehörigkeit immer im Rathaus von Neualbenreuth. Grund des Ganzen waren ewige Streitigkeiten, da nach der Auflösung des Nordgaus das ursprünglich einheitliche Egerland in zwei verschiedene Herrschafts- und Interessengebiete zerfiel: Das Stiftland des Klosters Waldsassen und die Stadt Eger mit ihren Ländereien in Westböhmen. Beide hatten aber im Gebiet des jeweils anderen Besitz, wodurch sich die Rechtsverhältnisse überschnitten. Der Wechsel schuf hier für jeweils ein Jahr Rechtsklarheit und jeder Herr kam abwechselnd zu seinem Recht. Erst mit dem Wiener Vertrag vom 24.06.1862 hatte das bunte Treiben ein Ende und eine florierende Freihandelszone war endgültig Geschichte. Es ist anzunehmen, dass der wirtschaftliche Nutzen des Freihandels einer der Gründe, wenn nicht der Hauptgrund dafür war, dass dieses doch recht kompliziert Gebilde von so langer Dauer war. Spuren dieser Zeit findet man noch heute in der Gegend: im besonderen Egerländer Fachwerk oder im Dialekt der Menschen, die beide die Region diesseits und jenseits der heutigen Grenze kennzeichnen.

Und auch ein ganz besonderes Wetter hat diese Grenzregion: Der Böhmische Wind ist zwar kalt bzw. im Sommer frisch, aber er bringt in aller Regel schönes Wetter mit sich.

Von der Sonne beschienen, der Offenheit des Freihandels geprägt und gesegnet mit einer gesunden Portion Pragmatismus: Die Frais ist ein ganz besonderes Gebiet mit besonderen Menschen, auch heute noch.

Lernen Sie sie kennen und lieben!